Im Vergleich zum Marketing in anderen Branchen gibt es beim Industriemarketing, Investitionsgütermarketing resp. beim Marketing für komplexe Angebote einige besondere Herausforderungen zu meistern.
Mein Maschineningenieur-Background und meine langjährige Erfahrung in verschiedenen Positionen im Industriegeschäft lassen mich beide Seiten gut verstehen – die Anbieter- und Kundenseite.
Dieser Blogartikel beschreibt die wichtigsten herausfordernden Aspekte des Industriemarketings und welche Lösungsansätze erfolgversprechend sind:
Industriemarketing – Wie die spezifischen Herausforderungen erfolgreich meistern?
Um im Industriemarketing erfolgreiche Schritte zu machen, sollten folgende Besonderheiten des Geschäfts beachtet und entsprechend der vorgeschlagenen Lösungsansätze bearbeitet werden:
1. Komplexität der Produkte und Dienstleistungen
Maschinen, Anlagen, Systemlösungen und dazugehörige Dienstleistungen sind meistens technisch anspruchsvoll und komplex. Die Herausforderung besteht darin, diese Komplexität verständlich und attraktiv für potenzielle Kunden darzustellen. Kundenseitig gibt es verschiedene Funktionen und Rollen im Buying Center – Sie sollten also nicht nur die Ingenieure und Techniker ansprechen.
▶︎ Entwickeln Sie klare und prägnante Kommunikationsbotschaften, welche die Vorteile, den Mehrwert und das Alleinstellungsmerkmal (USP) des Produkts oder der Dienstleistung hervorheben – ohne zu sehr in technische Details zu gehen. Infografiken, Fallstudien, anschauliche Anwendungsbeispiele oder Referenzprojekte helfen, komplexe Konzepte besser zu veranschaulichen.
▶︎ Für die technischen Ansprechpartner bei den Kunden können Sie zusätzlich technische Daten, Spezifikationsblätter, Massblätter oder auch Online-Auslegungstools zur Verfügung stellen – Informationen, welche bei der Evaluierung oder einem Vorprojekt dienlich sein können.
2. Lange Verkaufszyklen
In der Industrie resp. im Investitionsgüter-Bereich können Verkaufszyklen deutlich länger sein als in anderen Branchen – oft Monate bis zu mehreren Jahren. Entscheidungen werden oft von mehreren Personen oder Abteilungen innerhalb eines Unternehmens getroffen. Nicht nur aus diesem Grund kann es Zeit in Anspruch nehmen, mögliche Lösungen zu evaluieren, Investitionsanträge einzureichen und die erforderlichen Genehmigungen und Budgets zu erhalten.
▶︎ Bei langen Verkaufszyklen macht es Sinn, ein «Lead-Nurturing» zu implementieren. Versorgen Sie potenzielle Kunden kontinuierlich mit relevanten, nützlichen Informationen, um ihr Interesse und ihre Beziehung zum Unternehmen aufrechtzuerhalten. Dies kann z.B. durch personalisierte E-Mails, Marketing-Automation, Newsletter, Veranstaltungen, Webinare, Blog-Beiträge, Success-Stories oder Whitepaper erfolgen.
▶︎ Im B2B-Geschäft ist der periodische, persönliche Kontakt sehr wichtig. Bauen Sie persönliche Kontakte auf und bleiben Sie auch bei langen Verkaufszyklen in der Kontaktaufnahme interessant. Hilfreich sind allfällige Referenzbesuche, News zu den Lösungen oder nützliche Informationen für die beruflichen Herausforderungen des Kontaktes.
3. Begrenzte Zielgruppe und Evaluation durch Buying Center
Maschinen, Produktionsanlagen, Industrieprodukte und technische Dienstleistungen richten sich oft an eine spezifische Zielgruppe mit einem begrenzten Markt. Zusätzlich herausfordernd ist, dass bei Industriekunden oft ein Buying Center, also ein Gremium von Entscheidungsträgern, über die Auftragsvergabe entscheidet. Die Herausforderung besteht darin, dieses Buying Center effektiv zu erreichen und die richtigen Marketingkanäle auszuwählen. Dabei sollten lokale, geschäftsrelevante Unterschiede berücksichtigt werden.
▶︎ Analysieren Sie Ihre Zielgruppe. Identifizieren Sie die wichtigsten Entscheidungsträger und Beeinflusser innerhalb der Zielgruppe und machen Sie sich ein Bild ihrer individuellen Motivationen und Bedürfnisse.
▶︎ Erstellen Sie für diese Entscheidungsträger und die wichtigen Beeinflusser eine Buyer Persona (fiktive Person, die Ihren typischen Kunden repräsentiert), analysieren Sie deren Customer Journey (typische Phasen im Kaufprozess der Kunden) und konzentrieren Sie die Marketingaktivitäten auf die für die Buyer Personas relevanten Kanäle. Dazu gehört die Nutzung von Social-Media, Social-Media-Ads, SEO (Suchmaschinenoptimierung), Landing-Pages, Content Marketing, Online-Plattformen, Webinare, Branchenverzeichnisse, Fachzeitschriften (Fachbeiträge, Werbung), Industriemessen oder Direktmarketing / E-Mail-Marketing. Zentral dabei ist Ihre Website, welche auf die Buyer Personas und deren Herausforderungen ausgelegt ist.
▶︎ Bei internationalen Zielmärkten passen Sie Ihre Marketingstrategie an lokale, geschäftsrelevante Unterschiede an. Berücksichtigen Sie kulturelle, sprachliche und gesetzliche Unterschiede, um Ihre Botschaften und Marketingmassnahmen relevant und ansprechend zu gestalten.
▶︎ Kleinere Firmen mit wenig Ressourcen sollten diese fokussiert einsetzen – im Sinne von «weniger (Kanäle) ist mehr (Qualität im Content)».
4. Aufbau von Vertrauen und Reputation
Im Maschinenbau/Anlagenbau resp. bei Investitionsgütern ist Vertrauen ein sehr wichtiger Faktor. Nicht zuletzt weil es oft um grössere Geldbeträge, wichtige Produktionsfaktoren, kundenspezifische Systemlösungen, hochwertige Produkte und eine langfristige Investition geht. Kunden suchen deshalb nach zuverlässigen und vertrauenswürdigen Lieferanten und Partnern – welche hoffentlich in Zukunft auch noch da sind.
▶︎ Bauen Sie Vertrauen bei potenziellen Kunden auf und zeigen Sie Ihre Kompetenz durch Bereitstellen von qualitativ hochwertigen Inhalten wie z.B. informative Beiträge, Fallstudien, Fachartikel, Videos, Infografiken, White-Papers oder Blog-Beiträge.
▶︎ Ebenfalls vertrauensfördernd sind Referenzkunden (Brands), Referenzprojekte, Testimonials, Kundenbewertungen und Zertifizierungen. Diese sollten auch online ersichtlich sein, da ein grosser Teil des Evaluierungsprozesses der Kunden ohne Kontaktaufnahme stattfindet. Die Einbindung von Experten und Meinungsführern aus der Branche hilft ebenfalls die Reputation des Unternehmens zu stärken.
▶︎ Publizieren Sie auf Ihrer Website unter «Über uns» oder «Unser Unternehmen» Ihre Werte, Mission und Vision, Team, Meilensteine und Errungenschaften, Expertise und Erfahrung, Zertifizierungen, Standorte etc. – Potenzielle Kunden wollen ein Gefühl dafür entwickeln, mit was für einem Unternehmen sie zusammenarbeiten würden.
▶︎ Nutzen Sie Social-Media-Kanäle, um direkt mit Ihrer Zielgruppe zu interagieren und eine positive Wahrnehmung aufzubauen. Reagieren Sie auf Kommentare und Nachrichten, teilen Sie aus Kundensicht wertvolle Inhalte und zeigen Sie Ihr Engagement für Kundenzufriedenheit und Problemlösung.
▶︎ Schützen Sie die aufgebaute Reputation. Während Krisen ist eine effektive Kommunikation entscheidend für den Umgang mit negativen Situationen. Informieren Sie proaktiv Ihre Stakeholder über die Situation und die Massnahmen zur Problemlösung. Bieten Sie klare und verständliche Informationen, um Gerüchte zu vermeiden. Eine effektive Krisenkommunikation ist vor allem Sache der Vorbereitung – in guten Zeiten, versteht sich.
Wichtig bei allen Punkten: Die konsistente Kommunikation über die verschiedene Kanäle hinweg. Stellen Sie sicher, dass die Botschaften und Werte in allen internen und externen Kommunikationskanälen einheitlich sind.
5. Exzellenter Service und Support
Industriekunden haben oft hohe Erwartungen an den Service und den technischen Support. Die Herausforderung besteht darin, diese Erwartungen zu erfüllen und einen exzellenten Kundenservice zu bieten – sei es online, schriftlich, telefonisch oder beim Kunden vor Ort.
▶︎ Sie werden nicht darum herum kommen, ein engagiertes Service-Team aufzubauen, das schnell auf Kundenanfragen reagiert und Probleme effektiv löst – und sich entsprechend den Veränderungen und neuen Anforderungen auf der Markt- und Kundenseite immer wieder anpasst. Guter, kundenorientierter Service ist Teil der Unternehmenskultur und lässt sich von der Konkurrenz auch nicht so schnell kopieren.
▶︎ Unterstützen Sie eine positive Entwicklung dieses Bereichs durch regelmässige Schulungen der Mitarbeitenden im Kundendienst und die Pflege Ihrer Unternehmenswerte in der Kommunikation und im Verhalten. Sie investieren damit nicht nur in die Kundenzufriedenheit, sondern auch in die positive Wahrnehmung ihres Unternehmens und in die Positionierung Ihrer Marke.
▶︎ Zu einem guten Kundenservice gehören heute auch ein Self-Service-Bereich mit nutzerfreundliche Online-Ressourcen wie z.B. digitale Leaflets/Flyer, digitale Broschüren, Fallstudien, Success-Stories, Produkt-Dokumentationen, Handbüchern, Wartungshinweise, Ersatzteil-Listen, FAQs, Webinare und Video-Tutorials.
Wichtig auch bei Kommunikationsmitteln im Service: Vergessen Sie nicht Ihre Werte einzuflechten und womit Ihr Unternehmen den Unterschied bei den Kunden macht.
6. Internationaler Konkurrenzdruck
Die meisten Industriefirmen sind international tätig – und spüren auch internationalen Konkurrenzdruck. Diesem zu begegnen, erfordert eine strategische Herangehensweise und eine Kombination von Massnahmen, um die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu stärken.
Die unter den Punkten 1 bis 5 genannten Lösungsansätze im Industriemarketing tragen alle zur Differenzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bei. Um diese weiter zu stärken, empfehlen sich weitere Lösungsansätze aus dem Industriemarketing:
▶︎ Führen Sie eine Marktanalyse inkl. Wettbewerbsanalyse durch, um eine objektive Aussensicht zu bekommen und um Ihre Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren (SWOT) zu identifizieren. Befassen Sie sich mit Ihren Konkurrenten und deren Positionierung, um Ihre eigene Positionierung und Strategie zu überprüfen und nötigenfalls anzupassen.
▶︎ Positionieren Sie Ihr Unternehmen und Ihre Marke. Identifizieren Sie die aus Kundensicht einzigartigen Stärken und Alleinstellungsmerkmale und entscheiden Sie sich für eine prägnante Positionierung. Betonen Sie diese in Ihrer Marketingkommunikation und erklären Sie, was Ihr Unternehmen und Ihre Produkte und Services von der internationalen Konkurrenz abhebt – und wie Sie Kundenbedürfnisse besser erfüllen.
▶︎ Pflegen Sie Ihre Innovationsfähigkeit und investieren Sie in Forschung, Entwicklung und in eine Verbesserungskultur. Neue Technologien, Innovationen, Produktverbesserungen und neue Geschäftsmodelle, welche den besten Mehrwert für Ihre Kunden generieren, erhöhen Ihre Wettbewerbsfähigkeit und schaffen Ihnen den erfolgsversprechenden Konkurrenzvorteil.
Fazit
Diese genannten Herausforderungen im Industriemarketing und deren Lösungsansätze erfordern eine strategische, konzeptionelle Herangehensweise und eine sorgfältige Planung von inhaltlich konsistenten Massnahmen. Aus meiner Erfahrung sind die folgenden 3 Punkte wichtige Erfolgsfaktoren:
Zielgruppenkenntnis:
Ein gutes Verständnis der Zielgruppe mit Ihren Entscheidungsträgern/ Beeinflussern und deren Motivationen und Bedürfnisse ist sehr wichtig. Buyer Personas und Customer Journey sind die Basis für den Erfolg im Industriemarketing.
Wertorientierte Kommunikation:
Industriekunden sind an den Werten und dem Mehrwert interessiert, den ein Unternehmen bieten kann. Die Kommunikation sollte sich neben der Positionierung des Unternehmens resp. der Marke auf die spezifischen Vorteile, Lösungen und den ROI konzentrieren, die das Unternehmen seinen Kunden bietet. Die Darstellung der Wertgenerierung Ihrer Produkte oder Dienstleistungen in Bezug auf Effizienzsteigerung, Kosteneinsparungen, Risikominimierung, Qualitätsverbesserungen oder Wettbewerbsvorteile für die Kunden in deren Märkten ist entscheidend.
Beziehungsaufbau, Dialog und Kundenservice:
Industriekunden suchen nach langfristigen Partnerschaften mit zuverlässigen und vertrauenswürdigen Anbietern. Dazu gehört eine effektive, bedürfnisorientierte Kommunikation entlang der Customer Journey, angepasst auf lokale Bedürfnisse. Weiter hilft Online Marketing auch bei langen Verkaufszyklen «Top-of- Mind» resp. im Dialog mit potenziellen Kunden zu bleiben, Vertrauen zu schaffen und Kompetenzen zu vermitteln. Schnelle Reaktionszeiten, persönliche Betreuung und die Bereitstellung eines exzellenten Service und Support sind entscheidend, um Kundenloyalität aufzubauen und nachhaltig Wiederholungsgeschäfte zu generieren.
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